Am 15. Februar 1872 wurde als erste Nebenbahn aus dem Dilltal diejenige in Betrieb genommen, die in den Schelderwald führte. Zehn Jahre fuhren jetzt schon die Züge zwischen Deutz und Gießen, die auch Dillenburg an das neue Verkehrsnetz anschlossen, das sich flächendeckend in ganz Deutschland breit machte.

Seitdem dominierte der Gütertransport, und so war sie auch schon um etliche Anschlüsse ergänzt worden, von den Gruben und Hütten des Siegerlandes vor allem. Doch während diese ausschließlich alle von den jeweiligen Nutzern bezahlt wurden, investierte die Köln-Mindener Eisenbahngesellschaft, die auch die Hauptstrecke geplant und finanziert hatte, bei dem Projekt in den Schelderwald noch einmal selbst. Natürlich: Sie versprach sich Gewinn, und ihre Erwartungen sollten in der Folgezeit nicht enttäuscht werden.

Fast vierzig Jahre lang sollte sie eine kurze Stichbahn bleiben. Die Endstation „Nicolausstollen" war freilich geschickt gewählt. Dicht nebeneinander förderten damals hier gleich vier große, damals noch selbstständige Gruben Eisenerz zutage: „Königszug", „Stillingseisenzug" und - etwas weiter entfernt - „Beilstein" und „Ölsberg".

Ein Stichgleich zweigte dort ab, wo später der Hochofen gebaut werden sollte, und band die Gruben an, die auf der Eisernen Hand förderten, dem Gebirgszug zwischen Oberscheld und Eisemroth. Dazu gehörten u.a. der „Burger Stollen" (später „Auguststollen"), der „Handstein" und das Bergwerk „Sahlgrund". 1902 kam noch ein Stichgleis zur „Grube Prinzkessel" hinzu, die unweit des heutigen Oberschelder Fußballplatzes abbaute.

Bis 1896 blieb die Scheldebahn eine reine Güterbahn. Erst am 1. März dieses Jahres wurde hier auch der Personenverkehr aufgenommen, als Kursbucheinheit mit der neuen Dietzhölzbahn, die vier Jahre zuvor zwischen Dillenburg und Ewersbach eröffnet worden war.

In den Jahren danach wurden erste Gedanken darüber laut, die Scheldebahn bis ins Hinterland zu verlängern. Der wirtschaftliche und politische Druck erhöhte sich nach dem Jahre 1905. Nachdem nämlich alle mit Holzkohle betriebenen Hochöfen im Lahn-Dill-Bergland in den letzten Jahrzehnten des alten Jahrhunderts erloschen waren, blühte nach wie vor der Eisenerzbergbau im Schelderwald. Die Hütten der Umgebung waren alle in reine Eisengießereien umgewandelt worden, die Endprodukte herstellten, Herde und Öfen vor allem, aber auch Gussteile für die Eisenbahn sowie Maschinenguss und –zubehör.

Was in der Produktionskette jetzt fehlte, war ein Betrieb, der das Erz in Roheisen umwandelte. Am stärksten betroffen von dem Problem war der Hessen-Nassauische Hüttenverein, damals der größte Besitzer sowohl von Gruben als auch von Gießereien in der Region. Der ließ deswegen 1904 in Oberscheld einen neuen Hochofen bauen, der, wie die im Ruhrgebiet schon lange, jetzt endlich auch Koks als Energieträger nutzte. Im Jahre 1905 ging er auf seine erste „Hüttenreise", wie der Insider damals die Betriebszeit nannte.

Zwar hatte der seinen Bahnanschluss. Aber wenn die Betriebe in Dautphe, Laasphe oder Breidenbach sein Roheisen, mussten die beladenen Wagons auf den langen Umweg über Dillenburg, Wetzlar, Gießen, Marburg und Biedenkopf geschickt werden.

Die Dillenburger Handelskammer machte sich 1904 für dieses Projekt stark. Schließlich wurde ein Komitee gegründet, in dem Dillenburgs Bürgermeistermeister Gierlich, Bergschullehrer Dr. Karl Dönges federführend tätig waren, und vor allem Gustav Jung und Richard Jung. Sie gehörten beide zu den Managern des Hessen-Nassauischen Hüttenvereins, wie sich das Familienunternehmen genannt hatte, das im Jahre 1847 von ihrem Vorfahr Johann Jakob Jung gegründet worden war, nachdem er schon vorher zusammen mit anderen Männern in der Umgebung Hütten besessen hatte. In vielen Dörfern, durch die die Strecke führen sollte, gab es Zusammenkünfte von Bürgern. Zum Teil füllten sie zu Hunderten die Säle.

Mit Erfolg. Im August des gleichen Jahres ordnete der zuständige Minister für öffentliche Arbeiten die konkreten Planungen an. Allerdings sollte es noch einmal fünf Jahre bis zum ersten Spatenstich dauern.

Gleich zweier Eröffnungszuge bedurfte es am 28. April 1911, die von Biedenkopf nach Dillenburg starteten, um die Strecke feierlich in Betrieb zu nehmen – so viele Fahrgäste wollten bei diesem Festakt dabei sein.

Die Zeitung „Zeitung für das Dilltal" berichtete in einem zweiseitigen Artikel am Tage danach mit euphorischen Worten über dieses Ereignis. „Durch die neue Bahn sind die benachbarten Kreise Dill und Biedenkopf enger und fester miteinander verbunden, sind sich die beiden Kreisstädte Dillenburg und Biedenkopf, die sich gegenseitig seither nur auf weitem Umweg besuchen konnten, räumlich wesentlich näher gerückt, sind Handel und Wandel neue glückverheißende Wege erschlossen worden", lautete seine Kernaussage.