„Zwischen den Tälern der Dietzhölze und des Nanzenbaches senkt sich von der Bottenhorner Hochfläche im Nordosten ein stark reliefierter Höhenzug in mehreren Stufen südwestwärts. Bevor er zum Dilltal hin abbricht, erreicht er, etwa 3 km nördlich von Dillenburg, im Heunstein mit 472,5 m NN noch einmal eine beherrschende Höhe... Eine markante Diabasrippe im Scheitel bestimmen die äußere Gestalt dieses Berges. Das Erzreichtum ließ im Mittelalter im weiteren Umkreis einen blühenden Bergbau entstehen."

E. Schubert schrieb diese Sätze über den „Ringwall Heunstein", ein Führungsblatt, das im Jahre 1989 als Nr. 71 in der Reihe „Archäologische Denkmäler in Hessen" vom Landesamt für Denkmalpflege herausgegeben wurde.

Von Karl August von Cohausen schrieb er damals auch, der 1879 erstmals auf diesen Ringwall aufmerksam machte, von dem Haigerer Forstmeister Heinrich Behlen, der ein knappes Vierteljahrhundert später hier forschte und schließlich von Ferdinand Kutsch, der zwischen 1926 und 1931 hier offiziell Ausgrabungen vornahm. Von Wallanlagen und von Fliehburg war damals die Rede, und kurz danach vereinnahmen die Nazis dieses Stück Lokalgeschichte: In ihrer Ideologie konnten es natürlich nur die Germanen gewesen sein, die hier ihre Spuren hinterlassen hatten.

Heute weiß man mehr, denn gerade über das Volk, dem die Bauten auf dem Heunstein zu zuschreiben sind, ist das Wissen in den letzten zwei Jahrzehnten enorm angewachsen. Nicht als Fliehburg, die nur bei Gefahren benutzt wurde, sondern als eine der keltischen Höhensiedlung wird sie heute betrachtet, als „Oppidum", wie die Römer sie bezeichneten.

Von diesen stammt auch der Begriff „Kelten" - die sich selbst vermutlich nie so bezeichnet hatten. Sie hatten auch wohl mit höchster Sicherheit kein Selbstverständnis als gemeinsames Volk. Ihr Zugehörigkeitsgefühl galt wohl eher den Stämmen, in denen sie ihr Leben organisierten, und die mal miteinander, aber vermutlich viel öfter gegeneinander paktierten.

Was sie für unsere Regionalgeschichte so interessant macht: Die Bodenfunde vom Heunstein, aber auch von anderen Orten der Umgebung belegen, dass sie Waffen und Werkzeuge aus Eisen besaßen. Der logische Folgeschluss: Sie müssen in der Lage gewesen sein, Eisenerz abzubauen und es zu „verhütten", wie der Fachmann zu dem Umwandeln in reines Eisen sagt. Inzwischen gibt es Aussagen von Historikern, dass die Kelten vor der Zeitenwende den Römern in dieser Technologie weit voraus waren, dass für dieses Volk, das die Hochkultur in der antiken Zeit prägte, das Roheisen aus unserer Heimat, aber auch die Fertigprodukte eine hochbegehrte Handelsware war.

Auf dem Heunstein war also vor Christi Geburt ein Zentrum der heimischen Siedlungsgeschichte. Die Leute, die hier siedelten, mussten sich aus der Umgebung ernähren. Wie sie ihr Leben organisierten, liegt noch im Dunkeln der Geschichte. Aber es ist wahrscheinlich, dass ringsherum Landwirte siedelten, die Abgaben leisteten. Und mit hoher Sicherheit auch Bergleute, die das Eisenerz dort abbauten, wo es ans Tageslicht trat, „ausbiss", wie der Bergmann dazu sagt.

Gute fünf Kilometer in östlicher Richtung, jenseits vom heutigen Nanzenbach, beginnen die geologischen Rohstofflager. Noch heute gibt es hier jede Menge Spuren alter Tagebauen zu entdecken, die allerdings vermutlich eher aus der Neuzeit des Bergbaus stammen.

Antworten auf manche dieser Spekulationen könnten die Reste eines alten Dörfchens liefern, die vom Autor selbst erst vor zwei Jahren entdeckt wurden. Nicht weit vom Appersberg, einer der höchsten Erhebungen des Schelderwaldes, zeugt mehr als ein Dutzend von Siedlungspodien davon, dass hier einmal Gebäude standen – errichtet aus den ortsüblichen Materialien Holz und Lehm.

Siedelten hier die ersten Bergleute, die systematisch nach dem Eisenerz des Schelderwaldes gruben? Dr. Sabine Schade-Lindig vom Wiesbadener Landesamt für Denkmalspflege, die im Frühjahr 2008 die Bodenfunde als solche abnahm (und bestätigte), spekuliert so. Wegen der Nähe zum Heunstein hält sie es für wahrscheinlich, dass diese Siedlungsreste in die keltische Zeit einzuordnen sind. Freilich: Es ist nicht auszuschließen, dass sie durchaus auch jünger, vielleicht erst tausend Jahre alt und damit hochmittelalterlich sind. Aber selbst dann wären sie für die heimische (Bergbau-)Geschichte durchaus von größerer Bedeutung.

Die beste Zeit auf dem Heunstein herrschte offenbar etwa im Jahre 120 v. Chr. Ein gutes halbes Jahrhundert später war er zerstört, aus welchen Gründen auch immer.

Es gibt seit vielen Jahren genügend Hinweise darauf, dass die Kelten in unserer Heimat schon um 400 v. Chr. lebten, etwa auf der „Lay" bei Rittershausen oder auf der Kalteiche. Auch bei ihnen gehörten nachweislich schon Gegenstände aus Eisen zum Alltag. Jedoch kann der dafür benötigte Rohstoff ebenso aus dem Siegerland gestammt haben, dessen Eisenerzlager von dort nicht furchtbar viel weiter entfernt lagen als die des Schelderwaldes. Es sind noch viele Fragen offen.

Foto: So wie diese rekonstruierte Kelten-Anlage in Ringelai (Bayrischer Wald) könnte das Dörfchen hinter dem Appersberg auch einmal ausgesehen haben.